Die Herbstreise ist seit vielen Jahren eine Institution in unserem Verein und Stoff zahlreicher Legenden. Dieses Jahr ging es erstmals nach Ratzeburg, in die moderne und direkt am Wasser gelegene Jugendherberge. Für einige war es die erste Herbstreise überhaupt, andere hatten dafür schon zweistellige Teilnahmen auf dem Buckel. So war es hinsichtlich Alter, Erfahrung und Spielstärke eine bunt gemischte Truppe, gut gelaunt war sie sowieso. 🙂
Die Anreise am Sonntag verlief reibungslos, sieht man einmal davon ab, dass manche Teilnehmer sofort zum Gleis anstatt zum vereinbarten Treffpunkt gingen und einer seine Uhr anscheinend schon auf Winterzeit umgestellt hatte. Beim Umsteigen in Büchen wurden die Neulinge in das Konzept „1 Obst, 1 Naschi“ eingeführt.
Nach dem Bezug der Zimmer stand erstmal die traditionelle Erkundungswanderung auf dem Programm. Anschließend erklärten die Hauptleiter Kay und Shumon die wichtigsten Regeln (keine Handys während der Gemeinschaftsaktionen!) und führten in das über die gesamte Reise dauernde „Mörderspiel“ ein. Bei diesem wird natürlich niemandem ein Haar gekrümmt, stattdessen kommt es auf List und Geistesgegenwart an (also ähnlich wie beim Schach). Zum Ausklang des ersten Tages spielten wir Gesellschaftsspiele aus unserer reichhaltigen Sammlung.
Am nächsten Tag, dem Montag, ging gleich nach dem Frühstück das Training los. Shumon nahm sich mit Ava, Levin und Eli unserer Jüngsten an, hier wurde u.a. das Mattsetzen geübt. Justus trainierte die aus Halid, Levi, Matheo, Nils und Simon bestehende mittlere Gruppe, die sich vor allem der berühmten Karlsbader Bauernstruktur widmete (von der sich das bekannte Verb „karlsbaden“ ableitet). Ich selbst kümmerte mich um die stärkste Gruppe, bestehend aus Jannis, Kevin, Magnus, Mark und Ove. Hier gingen es neben Taktik- und Rechentraining, das dem Selbstvertrauen der Teilnehmer phasenweise ein paar Kratzer zufügte, um die Feinheiten der Maroczy-Struktur.
Ein Turniersimultan mit besonderer Vorbereitung war das Event am Montag Nachmittag. Hier konnten die einzelnen Gruppen sich dadurch Zeitvorteile verschaffen, dass sie vorher an verschiedenen Stationen möglichst viele ungewöhnliche Aufgaben erfüllten (z.B. das Schreiben eines Gesichts oder das Herausfinden bestimmter Informationen über die Jugendherberge). Die Parteien verliefen dann zum Teil etwas einseitig, vor allem weil Levin von der Gegenseite schnell noch eine „freundliche“ Eröffnungsvorbereitung erhalten hatte („auf jeden Fall gleich die Dame rausziehen!“). Anschließend wurde ein Blitzturnier mit Zeithandycap gespielt, das Halid nach Wertung für sich entscheiden konnte.
Außerhalb der Gemeinschaftsaktionen vertrieben sich die Teilnehmer die Zeit mit Kicker, Billard, Tischtennis und Fußball. Das Essen wurde ganz überwiegend für reichhaltig und gut befunden. Wer wie ich ausgiebige Jugendherbergserfahrungen in den 1980er Jahren sammeln konnte, fühlte sich Vergleich sowieso fast wie in einem 4-Sterne-Hotel. Mit Freude stellte ich zudem fest, dass man als Gast heutzutage kein Geschirr mehr spülen muss. Den Tischdienst gibt es dagegen noch, in den Händen von Kay war er ein gefürchtetes Sanktionsinstrument.
Der Dienstag stand ganz im Zeichen der großen Wanderung, für die sogar Baldur extra aus Hamburg angereist kam. Es ging teils am Küchensee entlang, aber auch in die anliegenden Wälder. Magnus und Halid zeigten große Ausdauer darin, die Gruppe durch mehr oder weniger kreative Wortspiele zu „unterhalten“. Nach einer kleinen Ruhepause wurde am Nachmittag natürlich noch Schach gespielt (genauso wie am Morgen noch eine kurze Trainingseinheit abgehalten worden war), und zwar Ansageschach mit möglichst ausgeglichenen Teams. Hier setzten sich Levi und Magnus durch.
Am Mittwoch Nachmittag wurde das Schnellturnier gespielt, für das es besonders viele Punkte in der Herbstreisen-Gesamtwertung gab. Es wurde Beute von Magnus. Am Abend fand dann mit dem legendären Werwolf-Spiel der eigentliche Höhepunkt der Herbstreise statt. Die ersten beiden Durchgänge mussten aufgrund mangelnder Erfahrung einiger Teilnehmer früh abgebrochen werden: einmal gab sich die Hexe durch ihre Stimme zu erkennen, ein anderes Mal deckte ein kleiner Werwolf versehentlich seine Karte auf. Die dritte Runde verlief dann aber ohne Unfälle und wurde extrem spannend. Am Ende waren es mit Eli und Levin zwei der Kleinsten, die sich gegen die erfahrenen Werwölfe behaupteten und den Bürgern den denkbar knappen Sieg sicherten.
Am Donnerstag Mittag musste ich aufgrund eines beruflichen Termins zusammen mit Ava und Levin leider vorzeitig abreisen, immerhin gelang mir noch ein erfolgreiches „last minute“-Attentat auf Matheo 😎 (vorher hatte es natürlich schon ein Reihe anderer „Leichen“ gegeben). So verpassten wir leider die Endrundengesamtwertung, bei der der führende Magnus den Sieg durch eine Zaubereinlage eintüten konnte, sowie eine abschließende Werwolfrunde. Andererseits ersparten wir uns das Zugchaos, von dem die Gruppe am Abreisetag stark betroffen war.
Wie lautet das abschließende Fazit? Als Teilnehmer, Trainer und Vater zweier Teilnehmer kann ich sagen, dass die hohen Erwartungen an die legendäre Herbstreise vollauf erfüllt wurden und diese noch wochenlang Gesprächsstoff bei uns zu Hause war. Spiel, Spaß, Spannung, Stimmung, alles war dabei. Herzlicher Dank geht an Kay für die perfekte Organisation, ebenso an seine wichtigsten Unterstützer Shumon und Justus. Wir freuen uns schon auf das nächste Jahr!
(Jan Peter Schmidt)