„Das größte Schachopen der Welt“: Ein kleiner Bericht

29. Mai 2025

Obligatorischer verspäteter Bericht zum Open in Karlsruhe – kein langes Gerede, rein ins Schach:

Ich startete das Turnier mit den schwarzen Steinen gegen Stijve (2101) und der guten alten Caro-Kann-Verteidigung, in der ich gegen das berüchtigt solide Zweispringerspiel mit 3. …g6 eine Variante wählte, die zwar im Ausgleichssinne nicht als besonders präzise gilt, aber zu spielbaren, strukturell ungleichgewichtigen Stellungen führt. Ich hebelte mit …b7-b5 das Zentrum an und bekam die angenehmere Stellung, die sich bald zu einem größeren Vorteil verdichtete. In beiderseitiger Zeitnot machte ich ein paar Ungenauigkeiten – das Bauernopfer mit …f4-f3 war wohl objektiv nicht besonders toll – was den Vorteil zeitweise zunichte machte, aber irgendwann konnte ich den geschwächten weißen König dann doch ausnutzen und die Partie für mich entscheiden.

In der zweiten Runde gegen Bruno Engel kam eine Variante gegen Nimzo aufs Brett, die ich nur wenige Wochen zuvor für die Oberliga vorbereitet hatte, und so erzielte ich eine sehr gute Stellung mit Angriffchancen, aber auch positionellem Potential durch den vulnerablen gegnerische e4-Bauern. Die Damen tauschten sich und ich konnte das Endspiel mehr oder weniger sauber nach Hause bringen, wobei die Abwicklung in das Turmendspiel und die letzten Züge der Partie, auf Inkrement gespielt, definitiv nervenaufreibend waren. Die einzige wirkliche Gefahr bestand aber darin, nicht 55.e4+! zu finden, aber ich konnte gerade rechtzeitig einsehen, dass ansonsten …Tb3 kommt und ich nicht mehr weiterkomme.

Ähnlich wie beim Brühler Open war die dritte Runde, gegen Reza (2278), sehr wackelig. Ich kam eigentlich sehr gut aus der Eröffnung, spielte dann aber etwas zu kreativ mit dem h-Bauern-Vorstoß, wonach ich eine schwierige Stellung verwalten musste. Irgendwann setzte sich mein Gegner im Zentrum mit dem Hebel c4-c5 durch und gewann in der Folge den a6-Bauern. Hier stand ich im höheren Sinne auf Verlust, aber die Stellung war weiter kompliziert genug für praktische Chancen und so wendete sich das Blatt mit …La4! Und dem späteren Springermanöver nach e2, mit welchem ich eine Qualität gewann. Die Stellung bliebt schwierig, aber am Ende übersah mein Gegner ein hübsches zweizügiges Matt per Damenopfer. 3/3.

In Runde 4 hatte nach der Eröffnung leichten Vorteil, aber ich spielte nicht präzise genug, während mein junger Gegner aus Rumänien Sapocinic (2263) nichts anbrennen ließ. Es resultierte ein Endspiel, das ich nicht ganz richtig eingeschätzt hatte: Das Läuferpaar gegen das Springerpaar bedeutete entgegen meiner Annahme eigentlich überhaupt keinen Vorteil, weil die Stellung wohl einfach zu geschlossen war und blieb. Die Partie endete in einem Unentschieden. Nicht optimal, aber auch nicht das Ende der Welt.

Gegen Nurgaliyeva (2199) ließ ich zur Abwechslung mal Philidor ans Brett, und das funktionierte besser als man es sich eigentlich erträumen darf: Meine Gegnerin stellte einen Bauern ein und ich konnte die Partie einigermaßen souverän in einen vollen Punkt verwandeln. Der Mattangriff am Ende war spaßig.

Mit 5.5/6 war ich ziemlich weit vorne mit dabei und als Belohnung wurde ich gegen GM Bartel (2595) gepaart. Ich blieb meinem bisherigen Eröffnungsspiel mit den weißen Steinen treu und es endstand eine Art abgelehntes Damengambit, in dem sich aber schnell die zentralen Bauern gegenseitig wegtauschten. Im 12. Zug hatte ich das Gefühl, dass ich mit präzisem Spiel ordentlichen Vorteil bekommen sollte, aber fündig wurde ich nach viel zu langer Bedenkzeit nicht – und tatsächlich war in der Stellung auch nicht wirklich was zu holen. Ich spielte aber immerhin solide weiter und nicht viel später bot mir mein Gegner Remis an, was ich angesichts der trockenen Stellung gerne annahm. 6/7.

In der Nachmittagsrunde durfte ich gleich noch ein Mal gegen einen starken Großmeister ran: Diesmal kein Geringerer als Ivan Saric (2659), und dankenswerterweise hatte ich wieder Weiß. Gegen seinen Königsinder spielte ich eine Variante aus meinem nächsten Chessable-Kurs zu 1.d4, und das funktionierte gar nicht so schlecht. Allerdings setzte sich seine praktische Expertise als langjähriger KID-Spieler zunächst ein wenig durch und ich investierte wieder sehr viel Zeit, um eine vernünftige Lösung meiner (im Nachhinein gar nicht besonders großen) Probleme zu finden. Und tatsächlich bin ich relativ zufrieden mit meiner Entscheidung im 17. Zug – eine konkrete Folge von liquidierenden Zügen führte zu einem leicht unangenehmen Endpiel, das aber auf der anderen Seite vereinfacht genug war, um von mir in den Remishafen gelotst werden zu können, auch wenn das noch eine ganze Weile dauerte.

In der vorletzten Runde spielte ich zum dritten Mal in Folge gegen einen Großmeister, Alexander Fishbein (2375). Mit einem Sieg hätte ich durchaus noch Chancen auf eine GM-Norm, also ging ich mit der Einstellung ans Brett, kein unnötiges Risiko einzugehen, aber jede noch so kleine sich ergebende Chance zu nutzen. Ich vertraute wieder auf Caro-Kann, konnte aber leider gegen seine solide 3.d3-Behandlung keine ernsthaften Gewinnversuche aufs Brett zaubern. Kurz vor Partieende, als ich zu 26. …g5 kam, flackerte kurz Hoffnung auf, dass meine Figuren sich doch noch zu einer Art Initiative koordinieren könnten, aber mein Gegner tauschte konsequent in Richtung Punkteteilung ab.

Zum Abschluss spielte ich gegen Martins (2352) aus Portugal, und konnte das Turnier mit einem schönen positionellen Sieg beenden: Der Abtausch ins Endspiel im 21. Zug war denke ich partieentscheidend, denn Schwarz bliebt auf dem altbekannten eingekerkerten g6-Läufer sitzen. Ganz nett fand ich noch den unscheinbaren Zug 28.Tb3, um Spiel gegen die Wurzel meiner Bauernkette entlang der dritten Reihe gar nicht erst zuzulassen.

Zusammengefasst ein gutes Ergebnis – TPR 2557, +11 Elo, 12. Platz — und natürlich auch abgesehen vom Ergebnis eine besondere Sache, mit einigen der besten Spieler der Welt unter einem Dach zu spielen; auch wenn diese hauptsächlich parallel im Chess960-Open am Werk waren. Ich selbst bin jedenfalls noch nicht der Grundstellung, bzw. der Stellung Nr. 518, überdrüssig. Hier die Abschlusstabelle: https://chess-results.com/tnr1160036.aspx?lan=1&art=1&fed=GER&flag=30

Außerdem das Ergebnis von Ove, der uns im B-Open vertrat und nach einem 0/2-Start das Ruder herumreißen und ein starkes Endergebnis samt satten Elo-Plus erzielen konnte: https://chess-results.com/tnr1160037.aspx?lan=1&art=9&fed=GER&flag=30&SelSNr=986&snr=986